Was ist Homöopathie?
von Dr. Andreas Grimm, Tübingen
Die Homöopathie ist eine eigenständige Heilmethode, die nicht mit Natur- oder Pflanzenheilkunde, Neuraltherapie, Akupunktur, anthroposophischer Medizin, Bachblütentherapie oder anderen Therapierichtungen zu verwechseln ist.
Die Homöopathie wurde vor ca. 200 Jahren von dem sächsischen Arzt Samuel Hahnemann (1755-1843) als Heilverfahren entwickelt.
Die Entdeckung des Ähnlichkeitsgesetzes im Jahre 1790 durch Hahnemann stellte eine nachhaltige Erschütterung der zwei Jahrtausende umspannenden abendländischen Medizintradition dar:
Krankheiten werden durch Ähnliches geheilt, nicht durch das ihnen Entgegengesetzte. Woraus folgt, dass ein Kranker das Medikament erhalten soll, das bei einem Gesunden ähnliche Symptome zu erzeugen vermag. Grundlage hierfür ist also die genaue Erforschung der Arzneimittelwirkungen am Gesunden. Hierdurch unterscheidet sich die Homöopathie von anderen Heilmethoden, die dem Gedanken anhängen, dass Krankheiten durch ihnen entgegengesetzt wirkende Arzneimittel geheilt werden sollen. Hierzu gehören u. a. die naturwissenschaftliche Medizin, aber auch verschiedene oben genannte Methoden der Naturheilkunde.
Welche Krankheiten können durch Homöopathie geheilt werden?
Für eine homöopathische Behandlung kommen sowohl akute als auch chronische Krankheiten in Frage. Der Anwendungsbereich der Homöopathie lässt sich nicht durch Diagnosen ("Krankheitsnamen" wie z.B. Bronchitis, Magenschleimhautentzündung oder Rheuma) bestimmen. Voraussetzung für eine homöopathische Heilung oder Linderung der Beschwerden ist grundsätzlich, dass der Patient Symptome (= Krankheitszeichen) hat, die eine korrekte Mittelwahl ermöglichen.
Überwiegend sinnvoll ist eine homöopathische Behandlung außer bei akuten Erkrankungen speziell bei chronischen Krankheiten, die durch die herkömmliche Medizin schwer oder gar nicht zu beeinflussen sind, wie z.B. Asthma, Migräne, Neurodermitis, häufige Infektanfälligkeit usw.
Die Selbstbehandlung ist als Ergänzung zur ärztlichen Behandlung gedacht und sollte auf leichtere, akute Erkrankungen beschränkt sein. Die Behandlung chronischer Krankheiten gehört in den Aufgabenbereich eines erfahrenen Homöopathen. Auf keinen Fall darf durch eine Eigenbehandlung versäumt werden, eine evtl. notwendige schulmedizinische Therapie einzuleiten. Hier ist der Kranke in seiner Eigenverantwortung angesprochen. Auch versteht sich von selbst, dass Wunden, Verletzungen, Knochenbrüche usw. chirurgisch zu versorgen sind.
Entstehungsgeschichte der Homöopathie
Anlässlich der Übersetzung von Cullens Arzneimittellehre nahm der Arzt Samuel Hahnemann "...des Versuchs halber etliche Tage zweimal täglich jedes Mal 4 Qentchen gute China ein..." (täglich also ca. 29,2 Gramm). Als Folge dieses Selbstversuches, den er 1790 vermutlich in Leipzig durchführte, bekam er Symptome, und zwar Fieberanfälle mit vielen Begleitsymptomen, die denen des Wechselfiebers (Malaria) sehr ähnlich waren und sich durch wiederholte Gaben beliebig erneuern ließen. Aus dieser Erfahrung schloss Hahnemann, dass Chinarinde Wechselfieber heilen könne, weil sie imstande ist ein Fieber zu erzeugen, das dem der Malaria sehr ähnlich ist. Darüber hinaus zog er den Schluss, dass auch andere Substanzen Krankheiten heilen können, wenn sie in der Lage sind, beim Gesunden ähnliche Krankheitserscheinungen zu erzeugen. Hahnemann überprüfte diese Entdeckung des Ähnlichkeitsgesetzes gründlich an vielen anderen Arzneisubstanzen und trat 1796 damit an die Öffentlichkeit.
Das Ähnlichkeitsgesetz:
Eine Substanz, die an Gesunden krankhafte Phänomene erzeugen kann, ist auch imstande, diese bei Kranken zu heilen. = Ähnlichkeitsgesetz.
Diese Art von Ähnlichkeitsbeziehung sollte nicht mit anderen, z.B. der Signaturenlehre, verwechselt werden.
Fünf Voraussetzungen für homöopathische Heilung
1. Voraussetzung - das "Kranksein"
Am Anfang einer homöopathischen Heilung steht das "Kranksein" und die vollständige Erhebung dessen, was das Kranksein des Patienten ausmacht (Symptomenerhebung s.u.). Kenntnis dessen, was das "zu Heilende" ist.
2. Voraussetzung - Kenntnis der Wirkung der anzuwendenden Arzneien
Um genaue Kenntnisse über die Wirkungen der Arzneien zu erlangen, werden diese an Gesunden geprüft - Arzneimittelprüfung am Gesunden - (im Gegensatz zur naturwissenschaftlichen Medizin, die meist durch Vergiftung von Tieren zu ihren Kenntnissen über Arzneimittelwirkungen gelangt).
Hahnemann hat im Laufe seines langen Lebens über 100 Arzneimittel an sich, seiner Familie und Studenten geprüft.
3. Voraussetzung - die Anwendung nach dem Ähnlichkeitsgesetz
"Wähle, um sanft, schnell, gewiss und dauerhaft zu heilen, in jedem Krankheitsfalle eine Arznei, welche ein ähnliches Leiden für sich erregen kann, als sie heilen soll!"
Es gilt also, der Symptomatik des Kranken ein Arzneimittel anzupassen, dessen Prüfungssymptomatik der Symptomatik des Patienten möglichst ähnlich ist. Oder: diejenige Arznei ist die heilende, die bei ihrer Arzneimittelprüfung am Gesunden den Beschwerden des Kranken möglichst ähnliche Symptome hervorgerufen hat.
4. Voraussetzung - die angemessene Dosierung
Prinzipiell ist eine homöopathische Heilung auch durch Verabreichung von Arzneimitteln in Dosierungen möglich, die in der herkömmlichen Medizin oder Naturheilkunde üblich sind. Die Anwendung des sog. winzigen Arzneiquantums - der sprichwörtlichen "homöopathischen Dosen" - ist also keine unabdingbare Voraussetzung einer erfolgreichen homöopathischen Behandlung. Jedoch lehrte die zunehmende Erfahrung mit der Homöopathie, dass diese "hohen Dosierungen" in vielen Fällen zu heftig wirken. Diese Erkenntnisse führten Hahnemann zu der Entwicklung einer speziellen Herstellungsweise seiner Arzneimittel, die er Potenzierung oder Dynamisierung nannte (s.u.). Diese der Homöopathie eigene Herstellungs- und Dosierungsweise ihrer Arzneimittel wird von deren Gegnern zum Anlass genommen, die Homöopathie lächerlich zu machen. Hierbei wird regelmäßig übersehen, dass auch die Naturwissenschaft primär Tatsachen anzuerkennen hat und es unwissenschaftlich ist, diese zu leugnen, bloß weil für sie bisher keine Erklärungen innerhalb des Horizontes der Naturwissenschaft zu finden sind.
5. Voraussetzung - Ausräumung von Heilungshindernissen
Heilungshindernisse, die durch die Lebensumstände des Kranken bedingt sind, müssen beseitigt werden. Ebenso hat dieser diätetisch-hygienischen Anweisungen zu folgen, die durch seinen Zustand notwendig werden, wenn die Behandlung auf Dauer erfolgreich sein soll.
Wie schnell hilft die Homöopathie?
Ein korrekt gewähltes homöopathisches Arzneimittel heilt bei akuten Erkrankungen außerordentlich schnell und ist hier der herkömmlichen Medizin zumindest ebenbürtig, wenn nicht sogar überlegen. Bei chronischen Erkrankungen hängt der Heilungsverlauf vom Zustand und der Reaktionsfähigkeit des Patienten und von der bestehenden Dauer der Erkrankung ab.
Dr. rer. nat. Andreas Grimm
Tannenweg 4
72074 Tübingen
Tel. und Fax: 07071 / 63134
Literaturempfehlungen
A. Jansen: Die Eigentümlichkeiten und Hauptwirkungen der homöopathischen Arzneien. Verlag von der Lieth, Hamburg
C. Hering. Constantin Hering's homöopathischer Hausarzt. 14. Auflage. B. von der Lieth, Hamburg
E. B. Nash. Leitsymptome in der homöopathischen Therapie. Haug, Heidelberg
G.H.G. Jahr. Therapeutischer Leitfaden für angehende Homöopathen. Leipzig 1869. Nachdruck B. von der Lieth, Hamburg
W. Hess. Homöopathische Hausapotheke. Hippokrates Ratgeber.
H. C. Allen. Leitsymptome wichtiger Mittel der homöopathischen Materia Medica. 2. Auflage, übersetzt von A. Grimm. Burgdorf-Verlag, Göttingen
C. M. Boger. A Synoptic Key of Materia Medica. Erscheint in deutscher Übersetzung bei B. von der Lieth, Hamburg
K-H. Gypser. Wissenswertes für Patienten über Homöopathie. Heidelberg, 1992
R. Handley. Eine homöopathische Liebesgeschichte.
M. Boss. Grundriss der Medizin und der Psychologie. Bern 1975.